Ist das wirklich von dir?
Vom Umgang mit ChatGPT in der Schule
Haben sie sich schonmal gefragt, ob die Autorin eines Textes tatsächlich eine reale Person ist? Oder ob vielleicht sogar dieser Text vollständig durch eine Computeranwendung, womöglich mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz erstellt wurde? Ist dies so einfach wie es scheint?
In einer technisch rasant voranschreitenden Welt stellt der Einsatz von ChatGPT, einem sogenannten „Large Language Model“ auf Basis einer Künstlichen Intelligenz, auch die Institution Schule vor neue Herausforderungen. Doch welche Konsequenzen ergeben sich hieraus? Welche Chancen für den Unterricht bringen derartige Anwendungen? Und welche politischen Schlüsse müssen gezogen werden?
Schülerinnen und Schüler haben sie längst für sich entdeckt: Die praktischen Helfer im Schulalltag. Texte zusammenfassen? Gedichte verfassen? Ein Referat vorbereiten? Die Einsatzmöglichkeiten von Anwendungen wie ChatGPT sind vielfältig.
Das stellt Lehrkräfte vor scheinbar neue Herausforderungen: Hat die Schülerin den Text wirklich selbst verfasst? Wie kann ich die Eigenleistung eines Schülers bewerten? Hat der Lernende die Hausaufgabe tatsächlich selbst verfasst?
Doch ist diese Problematik neu? Keineswegs. Das Anfertigen von Arbeiten zu Hause war für Lehrkräfte schon immer eine echte Blackbox. Mitunter war auch schon hier unklar, ob ganze Familien das Schaustück für den Erdkundeunterricht erstellt haben, oder die Großmutter mit dem Sprössling Buchpräsentation für den Deutschunterricht vorbereitet hat.
Doch welche Folgen hat diese Form der Künstlichen Intelligenz für die Schule?
Zuerst sei festgehalten, Künstliche Intelligenz ist nur so gut, wie der Mensch, der diese zielgenau beurteilen und einsetzen kann. Menschliche Denkleistung wird ChatGPT nicht ersetzen. Dem Beurteilen von Inhalten auf ihre Relevanz und Korrektheit kommt insbesondere seit der Entwicklung des Internets eine zentrale Rolle zu. Auch automatisierte Textgeneratoren vermitteln über dies hinaus oft den Eindruck des „absolut Richtigen“. Hiervon geht eine große Gefahr aus. Nutzende müssen über die Funktionsweise aufgeklärt und befähigt werden, die Ergebnisse auf Richtigkeit und Relevanz zu überprüfen. Dies muss auch in der Schule vermittelt werden.
Mit Sicherheit ist es der falsche Weg, Programme wie ChatGPT zu ignorieren oder zu verbieten. Denn: Schule soll junge Menschen für die Zukunft vorbereiten und sie auf ihrem Weg begleiten, mündige und selbstständige Bürgerinnen und Bürgern zu werden. Und: Die Technologien sind längst in unser aller Lebenswirklichkeit angekommen. Für viele Berufsbilder sind Anwendungen wie sie grundlegend für Arbeitsabläufe. Schule bereitet als Institution auch hierauf vor. Darum muss das Thema Künstliche Intelligenz, und dazu zählt auch die Anwendung ChatGPT, Einzug in die Schule nehmen. Warum ist das so wichtig?
Lernende dürfen mit derartigen Anwendungen nicht allein gelassen werden. Sie müssen nicht nur befähigt werden, diese zielgerichtet einzusetzen, sondern auch dazu, den Wahrheitsgehalt der ausgegebenen Inhalte richtig einschätzen zu können. Dies wird vermutlich die größte Herausforderung darstellen. Das Ausklammern aus der Schule würde dafür sorgen, dass einige Lernende im Elternhaus Begleitung und Aufklärung erfahren können und andere nicht. In der Folge könnte weder ein positiver Einsatz für den eigenen Lernprozess erfolgen noch die vorhandenen Gefahren richtig eingeschätzt werden. Hier würde die Schere zwischen den „Informierten“ und denjenigen Jugendlichen, die auf sich gestellt sind, noch weiter auseinander gehen.
Darüber hinaus bietet ChatGPT wahrlich eine große Fülle an Chancen für individualisierte Lernprozesse und erleichtertem Zugang zu Lerninhalten. Um dies aber positiv nutzen zu können, müssen Lernende die Funktionsweise verstehen und die positive Nutzung zielgerichtet und altersgerecht üben. Dies gelingt nichtalleine im heimischen Jugendzimmer. Hier braucht es eine fachkundige Begleitung und auch Anlässe, sich mit anderen über Gefahren und Risiken auszutauschen. Hier kann und muss Schule eine wichtige Funktion einnehmen.
Eine zentrale Rolle nehmen die Lehrkräfte ein. Lehrkräfte aller Schularten müssen erfahren, was solche Anwendungen können und auch, wo Schwachstellen und Gefahren sind. Dies ist in erster Linie wichtig, um mögliche Einsatzbereiche zu kennen und um deren Funktionen zu erfassen. Fortbildungsangebote müssen daher rasch und flächendeckend ausgebaut werden. Ganz klar: Lehrkräfte sind verunsichert, welchen Einfluss diese Technologien auf ihren Unterricht haben werden. Die große Nachfrage nach Fortbildungen in diesem Bereich zeigt aber: Lehrkräfte möchten Bescheid wissen und sich zielgerichtet informieren. Daher muss hier ein passgenaues Angebot bereitgestellt werden. Auch in der Lehrkräfteausbildung müssen diese Inhalte vermittelt werden.
Über dies hinaus müssen datenschutzkonforme Möglichkeiten geschaffen werden, solche Programme im Unterricht einsetzen zu können. Lehrkräfte dürfen sich hier nicht in Grauzonen bewegen müssen, weil vieles sonst umständlich oder nicht anwendbar für den praktischen Einsatz im Unterricht ist. Hier braucht es rechtliche Leitplanken. Auch Fragen hinsichtlich des Urheberrechts für den schulischen Einsatz müssen geklärt sein.
Der grundsätzlichen Vermittlung von Medienkompetenz kommt selbstverständlich eine zentrale Rolle zu. Hier braucht es neben gut fortgebildeten Lehrkräften mehr als einen Basiskurs Medienbildung und eine Leitperspektive im Bildungsplan. Schulen müssen technisch so ausgestattet sein, dass sie die notwendigen Inhalte auch vermitteln können. Und hier braucht es insbesondere auch Personal, welches diese Technik fachkundig betreut. Lehrkräften mit stundenweisen Entlastungen kann das nicht auch noch zusätzlich aufgelastet werden.
Mit Sicherheit muss auch die Art und Weise, wie Leistungsmessung und Prüfungen erfolgen an die Gegebenheiten angepasst werden. Schade wäre es, wenn wie von Theresa Schopper, der Kultusministerin Baden-Württembergs vorgeschlagen, lediglich zu mehr mündlichen Prüfungen übergegangen würde. Da bieten neue Technologien doch wesentlich vielseitigere Möglichkeiten, Kompetenzen zu erlangen und den Erwerb dieser auch zu zeigen. Eine zeitgemäße Prüfungskultur muss lernförderlich, prozessorientiert und nachhaltig sein. Lernen für die Prüfung muss einem Lernen fürs Leben weichen.
Dies ist aber auch ganz abgesehen vom Einsatz von ChatGPT und anderen KI basierten Systemen seit langem ein wünschenswertes Ziel.
Fazit: Schule muss flexibel sein und auf Entwicklungen, auch technischer Art, reagieren. Sie ist die zentrale Institution, die kommende Generationen auf die Zukunft vorbereitet. In Schulen von gestern lässt sich schwerlich für die Welt von morgen lernen. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!